KI-Forschung der Orthopädie: die AIO-Arbeitsgruppe

Seit etwa fünf Jahren gibt es in der Orthopädie am TUM Klinikum Rechts der Isar eine kleine, engagierte Forschungseinheit, die klinische Fragestellungen mit künstlicher Intelligenz beantworten möchte: die AI in Orthopaedics (AIO). Unter Leitung von Dr. rer. nat. Florian Hinterwimmer hat sich diese Einheit stetig weiterentwickelt: Aktuell arbeiten rund 20 Personen einschließlich Studierenden an Projekten mit. Das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst, die Nemetschek Innovationsstiftung und auch das Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Raumfahrt haben die Arbeit der Forscher bereits mit Fördermitteln gewürdigt. Höchste Zeit für einen Besuch.

Dr. Florian Hinterwimmer (ganz re.) bei einem Team-Meeting.

 

Dr. Hinterwimmer, mit welchen Schwerpunkten beschäftigt sich das AIO-Team?
Wir konzentrieren uns auf drei Themenbereiche: Tumoren, Gelenkersatz sowie Wearables und Sensorik, also diese kleinen elektronischen Geräten, die am Körper getragen werden und bestimmte Körperfunktionen erfassen und verarbeiten können. Bei den Tumoren geht es um Analyse, Früherkennung und individualisierte Therapievorhersagen. Ein Beispiel: Im Rahmen unseres KIDS-Projekts trainieren wir Algorithmen so, dass sie Sarkome in einem Frühstadium auf Röntgen- und MRT-Bildern erkennen können. Beim Gelenkersatz geht es um Workflow-Optimierung, also die Automatisierung bestimmter Arbeitsschritte im klinischen Alltag, um Ärzten mehr Zeit für Patienten zu verschaffen. Bei den Wearables und Sensorik forschen wir, wie man deren Verwendung zur Erkennung, Vorhersage und Therapie orthopädischer Erkrankung nutzen und wie man diese Geräte im Rahmen der Digitalisierung in Klinik und Rehabilitation einsetzen kann.

Wie ist die Forschungsgruppe entstanden?
Ausgangspunkt war meine Doktorarbeit zum Thema „Machine Learning for Analysis and Diagnosis of Musculoskeletal Tumors“. Es ging darum, wie man radiologische Aufnahmen (Röntgen, MRT, CT) von Knochentumoren und Sarkomen mit künstlicher Intelligenz analysieren kann. Eine besondere Herausforderung lag darin, dass diese Tumorart nicht an ein bestimmtes Organ gebunden sind, sondern überall im Körper vorkommen können, und, dass unterschiedliche Bildformaten für die Analyse nötig sind. Es ging also darum, wie man diese speziellen Daten so aufbereitet, dass man mit ihnen wissenschaftlich arbeiten kann. Daraus sind erste Publikationen entstanden und im vergangenen Jahr haben wir Förderung durch das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst, die Nemetschek Innovationsstiftung und das Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Raumfahrt erhalten, mit der wir das Team vergrößern konnten.

Wie läuft Eure Zusammenarbeit mit den Klinikern?
Wir arbeiten natürlich eng mit der Radiologie und der Pathologie am TUM Klinikum zusammen. Von dort kommen die meisten unserer Daten. Mit den Ärzten der Orthopädie pflegen wir einen sehr direkten Austausch. Wir betreiben ja keine Grundlagenforschung, wir bearbeiten Fragestellungen, die klinische Relevanz haben: Die Kliniker sagen uns, was sie brauchen, und wir entwickeln Lösungen.

Wie sieht es mit konkreten Forschungsergebnissen aus?
Unser KIDS-Projekt ist in puncto Datenerhebung und -vorbereitung schon recht weit fortgeschritten. Aktuell entwickeln wir KI-Modelle gezielt für komplexe Daten. Doch bis zum medizinischen Produkt, einer Diagnose-Software für niedergelassene Ärzte, wird es noch dauern. Dafür ist neben unserer Forschung eine umfassende Zertifizierung nötig. Gleiches gilt für die Wearables.

Was macht das Team so besonders?
Mir fällt in Deutschland keine andere orthopädische Einrichtung ein, die eigenständig KI-Forschung betreibt, mit echten Daten aus dem klinischen Bereich. Unser Standort ist dafür optimal. In München gibt es – auch dank der TUM – viele exzellente Informatiker, und unser Muskuloskelettales Tumorzentrum (MSTZ) ist ein Tumorzentrum mit einem beachtlichen Daten- und Erfahrungsschatz.

Beim Thema künstliche Intelligenz stellt sich zwangsläufig die Frage nach dem Datenschutz.
Da kann ich beruhigen. Bei jedem Projekt, egal wie aufwändig der Prozess jeweils ist, halten wir uns strikt an geltende Richtlinien. Nach der Vorverarbeitung anonymisieren wir alle unsere Daten. Sie werden hinter der Firewall des TUM Klinikums gehostet, wo sie gut geschützt sind. Im Übrigen forschen wir auch hier mit KI daran, unsere Daten sicherer zu machen und eventuelle Lücken zu schließen.

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